Ich bin zweisprachig

Ich bin zweisprachig. Es gibt so viele Behinderte in der Welt und kein Mensch lacht sie aus. Mich schon. Vor allem dann, wenn ich mitten im Gespräch nach einem Wort suche, das mir gerade nur in der anderen Sprache einfällt. Denn ich bin zweisprachig. Das heißt zwei Sprachen, zwei Wortschätze, zwei Denkweisen bla bla. Ich frage mich manchmal mit meinen Kumpels, ob wir sogar zwei Gehirne, zwei Herzen haben? Quatsch.

Fakt ist: Daheim spreche ich eine der beiden Sprachen, wenn ich also mit meinem Clan bin – so nenne ich meine kleine Armee von Geschwistern, Cousins, Cousinen, Tanten etc.; Muttersprache wird das von der Wissenschaft genannt. Für mich ist es nur die Sprache, die mir am besten hilft, laut, impulsiv, Macho zu sein. Anders gesagt: die Sau rauszulassen. Das brauche ich mit meinem Clan. Wenn ich draußen bin, in der Gesellschaft, in der ich lebe, greife ich zu der anderen Sprache. Die nennen die Wissenschaftler Mehrheitssprache. Für mich ist es die Sprache der Vernunft, der Zurückhaltung, der Gleichgültigkeit, mit der ich Erfolg da draußen habe. Ich brauche da nicht die hohen Töne, mit denen ich Anerkennung, Lob ja sogar Selbsterkennung bei meiner Verwandtschaft erreiche. Hier draußen sind wir alle gleich. Alles ist egal. Ich kann nicht cooler sein, als die anderen auch sind. Doch manchmal schon. Zum Beispiel im Vergleich mit diesem einen Arbeitskollegen von mir. Dem würde ich schon manchmal was in der anderen Sprache sagen. Laut und direkt. Aber er würde mich nicht verstehen. Er kann meine Sprache nicht. Er ist nicht zweisprachig wie ich. Wie gut wäre es, wenn alle zweisprachig wären. So wie ich. So wie meine Kumpels. Das wäre was. Wir haben uns schon was ausgedacht: zum Beispiel jeder, der zu unserem Freundeskreis zustoßen will, muss Grundkenntnisse in unseren Sprachen erlernen. Das funktioniert. Wir lachen uns tot und wir können, wenn es nötig wird, auch die Sau rauslassen.

Es ist was tolles, diese Zweisprachigkeit! Aber was mache ich mit diesem einen Arbeitskollegen von mir, dem ich immer wieder mal was sagen würde. Naja, tolerant muss ich auch als Zweisprachiger sein. Denn es gibt so viele Behinderte in der Welt und kein Mensch lacht sie aus...

Kommentare

Grundkenntnisse

Sie hießen Claudia, Sofia, Antonia, die rumänischen Mädchen, die meinen Lebensweg kreuzten. Alle sprachen sie deutsch, in melodischer Aussprache ohne fremdartigen Akzent, waren bei mir angestellt, und ich interessierte mich kaum für ihre Herkunft. Sie waren fleißig, jung und attraktiv, und folgten nach spätestens drei Jahren einem Mann, was unsere Zusammenarbeit beendete.
Nun kreuzt wieder eine Rumänin meinen Weg, als Literatin, als Leserin, als Hörerin. Das ist spannend für mich. Die Eintrittsgeste für die Zulassung zu ihrem Freundeskreis sei die Bereitschaft, Grundkenntnisse des Rumänischen zu erwerben - ein zusätzliches Privileg, so meine ich.
Cu plácere, la revedere!
Günter

Glückwunsch

Dein erster Text auf dieser Seite.

Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.
  • Internet- und E-Mail-Adressen werden automatisch umgewandelt.
  • Zulässige HTML-Tags: <a> <em> <strong> <cite> <code> <ul> <ol> <li> <dl> <dt> <dd>
  • Zeilen und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • You may use [view:name=display=args] tags to display views.

Weitere Informationen über Formatierungsoptionen